Donnerstag, Juni 18, 2009

Dumme Bürger sind gute Wähler...

...oder wie gezielte Propaganda mit absichtlicher Unterschlagung wichtiger Informationen der Volkeswille gesteuert werden kann (Deja Vu ?)

So wirds gemacht


Die Bundesregierung hat am 18.06.2009 ein neues Gesetz verabschiedet, was grundsätzlich nichts Ungewöhnliches darstellt, doch im vorliegenden Fall das Verständnis in den Rechtsstaat grundlegend neu definiert. Was als Gesetzesänderung des Telemediengesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornographie etabliert werden sollte, nennt sich nun Zugangserschwerungsgesetz, da es nun ja als unabhängiges Gesetz ausserhalb des Telemediengesetzes zu betrachten ist.

Gerade weil dieses Gesetz in seiner Entstehung auf erhebliche Kritik bei IT- und Rechtsexperten gestoßen ist, wirkt eine breite Zustimmung des Volkes offensichtlich beruhigend, denn man ist sich der Tragweite dieses Unternehmens völlig bewußt.

Repräsentative Umfragen scheinen immer noch ein beliebtes Instrument zu sein, das eigene Vorhaben zu rechtfertigen. Werden die Fragen nur geschickt formuliert, kann man das gewünschte Ergebnis schon im Vorfeld festlegen.

Das Stück wird folgendermaßen inszeniert:

Das MINISTERIUMS FÜR FAMILIE, SENIOREN, FRAUEN UND JUGEND führt eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe durch. Dazu wurden zwischen dem 29. Mai und dem 11. Juni 2009 1832 Personen mündlich-persönlich interviewt. Die Ergebnisse
sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahren.


Frage 1:
Die Bundesregierung hat sich kürzlich auf Maßnahmen gegen Kinderpornographie geeinigt, mit denen Internetanbieter verpflichtet werden, den Zugang zu kinderpornographischen Seiten zu blockieren. Wenn ein Internetnutzer auf solche Seiten kommt, wird ein großes Stoppschild angezeigt, und man kommt nicht mehr weiter. Begrüßen Sie diese Maßnahmen, oder halten Sie sie nicht für den geeigneten Weg, um Kinderpornographie zu bekämpfen?

Das überwältigende Umfrageergebnis bestätigte, dass 91% der Befragten dieses Vorhaben begrüßen. Wäre ein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen? Ohne umfangreiche Hintergrundinformationen, die womöglich den meisten Befragten ohnehin nicht zur Verfügung standen, kann niemand wirklich ein wesentlich anderes Ergebnis erwarten. Ich lasse die Originalfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach komplett unverändert so stehen und füge ergänzend noch folgende Informationen an:

Alternativ hat sich das Löschen von kinderpornographischen Seiten bewährt und ist in seiner Effektivität nachweislich höher einzustufen, da eine Sperrung bzw. eine Umleitung die kinderpornographischen Seiten nicht verschwinden lässt, sondern nur verdeckt. Eine Umgehung der Sperre ist mit wenigen Eingaben bereits von Computerlaien zu realisieren. Halten Sie dennoch die Stopp- Schild Methode für die erstrebenswerteste Maßnahme?

Frage 2:
Finden Sie, dass die Menschen durch diese Stoppschilder im Internet in ihrem Recht auf
Informationsfreiheit zu sehr eingeschränkt werden, oder finden Sie das nicht?


Wie soll jemand dies beurteilen können, wenn ihm die Hintergründe nicht verdeutlicht werden. Menschen, die das Internet sowieso nicht nutzen, mag es vorkommen, als würde man sie fragen, ob sie es bedauern, dass Seetang nicht wenigstens einmal die Woche in deutschen Kantinen als Hauptgericht angeboten wird. Die erforderlichen Informationen, um die Frage im Zusammenhang mit der Kinderpornographie- Problematik beurteilen zu können, werden bewusst verschwiegen. Ich lasse die Frage erneut in ihrer Originalfassung so stehen und ergänze wiederum mit Informationen, die zur objektiven Beurteilung unerlässlich sind:

Ein Internetsurfer, der zufällig, bewusst oder unbewusst eine Stopp- Schild Seite in seinem Browser erblickt, ist mit seinen Verkehrsdaten, die unweigerlich erfasst werden, als möglicher Päderast automatisch in der Strafverfolgungsakte des BKA. Letzteres wurde zwar inzwischen zurückgewiesen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine grundsätzliche Datenerfassung möglich ist. Allein das BKA bestimmt, welche Inhalte im Internet auf die Stopp- Schild Seiten umgeleitet werden, während ein externes Gremium stichprobenartig die Sperrliste überprüfen soll. Wie sich dieses Gremium zusammensetzt, ist vor Verabschiedung des Gesetzes ungeklärt. Erkenntnisse aus Ländern, die diese Sperrmaßnahmen bereits durchführen, haben bestätigt, dass nicht allein kinderpornographische Inhalte der Zensur zum Opfer gefallen sind. Im Gegenteil, kinderpornographische Inhalte waren prozentual im einstelligen Bereich vertreten. Vertreten Sie nach dieser Erkenntnis die Meinung, dass das Recht auf Informationsfreiheit zu sehr eingeschränkt wird oder nicht?

90% der Befragten fanden ohne diese zusätzlichen Informationen, dass das Recht auf Informationsfreiheit nicht zu sehr eingeschränkt würde...

Frage 3:
Hier unterhalten sich zwei darüber, ob die Blockade von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt der richtige Weg ist, um Kinderpornographie zu bekämpfen. Welche(r) von beiden sagt eher das, was auch Sie denken?

Meinung 1:
“Ich bin zwar der Meinung, dass Kinderpornographie bekämpft werden muss, aber die Blockade von Internetseiten geht mir zu weit. Es kann nicht sein, dass der Staat festlegt, was sich der Einzelne im Internet anschauen darf und was nicht. Auf diese Weise wird die Freiheit der Bürger
zu sehr eingeschränkt.”


Meinung 2:
“Das sehe ich anders. Die Informationsfreiheit hat ihre Grenzen, und wenn es um Kinderpornographie geht, wird diese Grenze deutlich überschritten. Daher sollte der Zugang zu Internetseiten mit solchen Inhalten blockiert werden.”


Geschickt wird in die Meinung 1 ein unterschwellig negatives Statement eingebettet, welches unauffällig suggeriert: "Man darf sich anschauen, was man möchte, auch Kinderpornographie"
Natürlich soll man sich nicht bewusst Kinderpornographie anschauen (dürfen), was ja auch gesetzlich bereits ausreichend geregelt ist. Jemand, der keine pädophile Veranlagung besitzt, wird dies sowieso nicht bewußt tun. Da bewiesen ist, dass das Stopp- Schild die Inhalte ja nicht aus dem Internet eliminiert und eine Umgehung relativ einfach ist, kann man diese Frage auch streichen, wenn man die Löschung dieser Inhalte konsequent verfolgt hätte...

Übrigens schlossen sich 90% der Befragten Meinung 2 an und ich verzichte diesmal auf eine informative Ergänzung der Frage, da ein winziger Teilaspekt aus einem komplexen Themenbereich herausgelöst wurde und den Sinn verfälscht...

Frage 4:
Glauben Sie, dass man mit diesen Maßnahmen Erfolg hat und die Nutzung von Kinderpornographie im Internet eindämmen kann, oder glauben Sie, dass diejenigen, die so etwas sehen wollen, weiterhin einen Weg finden, an solche Seiten heranzukommen?

Ein Frage, die mit der Phrase "Glauben Sie..." beginnt, läßt kaum mehr als Schätzungen erwarten. Das Bauchgefühl von Menschen mit völlig verschiedenem Kenntnisstand soll ein repräsentatives Ergebnis bescheren? Immerhin "glauben" 62% der Befragten, dass diejenigen, die es beabsichtigen, auch weiterhin erreichen werden. Als halbwegs kritischer Umfrageteilnehmer, auch ohne entsprechende Hintergrundinformationen, hätte ich als Gegenfrage folgendes geäußert: "Gibt es keine erfolgversprechendere Maßnahmen?"

Frage 5:
Hier unterhalten sich zwei darüber, ob die Blockade von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt der richtige Weg ist, um Kinderpornographie zu bekämpfen. Welche(r) von beiden sagt eher das, was auch Sie denken?

Meinung 1:

“Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, den Zugang zu Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt zu blockieren. Wer im Internet Kinderpornos sucht, wird
sie auch finden, egal wie viele Seiten blockiert sind. Daher ist eine solche Blockade überflüssig.”

Meinung 2:
“Das sehe ich anders. Auch wenn man mit einer solchen Blockade nicht alle aufhalten kann, schreckt man damit doch sehr viele Nutzer ab. Daher halte ich eine solche Sperre für unbedingt
notwendig.”


Die Frage ist schon falsch gestellt. Welche Nutzer werden denn mit der Blockade aufgehalten bzw. welche Nutzer möchte man damit aufhalten? Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat darüber eine ganz eigenwillige These entwickelt: Sie denkt, dass Gelegenheitssurfer durch den Konsum von Kinderpornographie "angefixt" werden. Sie glaubt, dass sich Pädophilie mit Drogen- oder Alkoholsucht vergleichen lässt. Sie ist darüber hinaus der Auffassung, dass Leute mit geringer pädophiler Veranlagung durch uneingeschränkte einschlägige Angebote im Internet ein gesteigertes Verlangen entwickeln werden. Ich kann dies nicht beurteilen und gehe deshalb auch nicht weiter darauf ein. Jedoch bezweifele ich, dass Leute ohne diese Veranlagung, durch das zufällige Aufrufen von Kinderpornoseiten, Gefahr laufen, pädophil zu werden. Desweiteren bezweifele ich auch, dass man ohne Vorsatz auf kinderpornographische Inhalte stößt, wenn man nicht explizit einen Link unter falschem Vorwand erhält oder bereits ein Surfverhalten besitzt, dass im nahen Umfeld angesiedelt ist.
82% der Befragten vertreten die Meinung 2. Hierin sehe ich keinen Widerspruch, jedoch schreckt mich eine Kinderpornographieseite deutlich mehr ab als ein Stopp- Schild. Der 1. Fall würde eine Schockwirkung auslösen, die mich dazu veranlassen würde, auf die Löschung dieser Webpräsenz und die Bestrafung der Täter hin zu wirken. Im 2. Fall würde ich das Stopp- Schild lediglich zur Kenntnis nehmen und mich fragen, wieso die angesurfte Internetseite auf der Sperrliste steht...
...und genau hier beginnt ein neues Kapitel:

Weshalb ist die aufgerufene Internetseite auf der Sperrliste des BKA?
Ist sie etwa zu Unrecht darauf gelandet?
Oder hat das BKA kinderpornographische Inhalte identifizieren können, war aber nicht in der Lage, eine Löschung zu erwirken?
Weshalb konnte man eine Seite mit nachweislich kinderpornographischem Inhalt nicht löschen, sodass die 2. Instanz (die Blockade) zur Anwendung kam?

Holzauge sei wachsam!

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Dienstag, Juni 16, 2009

Des Schwachsinns fette Beute

Hätte man sowas für möglich gehalten? Die Bundesregierung verabschiedet ein Gesetz, welches in fataler Weise keinerlei Begründung bedarf. Hier ist die Rede von der Änderung des Telemediengesetzes im Hinblick auf die Bekämpfung von Kinderpornographie. Was im ersten Moment bei eigentlich allen Menschen eine wohlwollende Zustimmung finden würde, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Fauxpas mit unabsehbaren Folgen. Purer Aktionismus gepaart mit berechnendem Populismus eröffnen den Einstieg in den Zensurstaat. Was war geschehen?

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat sich zur Jeanne d'Arc der deutschen Politprominenz ernannt und möchte im Namen aller missbrauchten Kinder abscheuliche kinderpornographische Darstellungen aus dem abgrundbösen Internet verbannen. Ungeachtet der technischen Unzulänglichkeit, die die dazu verwendete Technik des DNS Access Blocking darstellt, sind die Argumente der Ministerin zunächst nachvollziehbar:
Video der Pressemitteilung von Ursula von der Leyen

Darf man einer gewählten Volksvertreterin uneingeschränkt Glauben schenken, wenn sie ihr Vorhaben öffentlich rechtfertigen möchte? Zweifel dürfen erlaubt sein und wer dann in gewisser Weise verschiedene Argumente kritisch hinterfragt, ist ja nicht gleich ein Päderast.
Die Ministerin redet unverhohlen von einem Millionengeschäft und Massenmarkt im Internet.

In der sog. "Kleinen Anfrage" der FDP- Abgeordneten Christoph Waitz und Hans- Joachim Otto antwortet der Staatssekretär Dr. Bernd Pfaffenbach...

Frage 17: Auf welche Datengrundlage stützt sich die Bundesregierung bei der Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderpornographie in Deutschland?

Antwort: Die Bundesregierung verfügt über keine detaillierte Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderpornographie in Deutschland.

Ebenso verweist die Politikerin gerne auf die Erfolge in anderen Ländern mit den Sperrlisten, jongliert mit Zahlen von angeblichen Zugriffen auf kinderpornographische Inhalte und dem überdimensionalen prozentualen Anstieg der Straftaten im kinderpornographischem Bereich:

Frage 3: In welchen Ländern werden die kinderpornographischen Inhalte ins Internet gestellt und wo stehen die Server, auf denen sich kinderpornographisches Material befindet?

Antwort: Webseiten mit nach deutschem Recht als kinderpornographisch einzustufeneden Inhalten werden nach Erkenntnissen des BKA fast ausschließlich über Server im Ausland bereit gestellt und dort bevorzugt in Staaten mit geringer Kontrollintensität oder aber dort, wo keine diesbezügliche Gesetzgebung existiert oder die entsprechenden Regelungen nicht konsequent durchgesetzt und überwacht werden...

Und wo stehen die Server nun konkret? Das weiß man offensichtlich nicht und weicht einer klaren Antwort kurz entschlossen aus...
Aber offensichtlich weiß man, dass in verschiedenen Ländern Kinderpornographie nicht ausreichend strafrechtlich verfolgt wird. Daher drängt sich folgende Frage auf:

Frage 4: In welchen Ländern steht Kinderpornographie bislang noch nicht unter Strafe?

Antwort: Dazu liegen der Bundesregierung keine gesicherten Kenntnisse im Sinne rechtsvergleichender Studien vor. Gewisse(vorsichtige) Schlüsse können aber...gezogen werden...

Frage 6: Wie viele Server, auf denen sich kinderpornographische Inhalte befinden, stehen in Ländern, in denen Kinderpornographie nicht unter Strafe steht?

Antwort: Wie bereits in der Antwort zu Frage 4 dargestellt, verfügt die Bundesregierung nicht über rechtsvergleichende Studien zur Strafbarkeit von Kinderpornographie in anderen Ländern. Sie hat daher auch keine Informationen über Serverstandorte in solchen Ländern.

Im Entwurf zur Gesetzesänderung steht u.a. als Begründung folgendes (was auch immer wieder gerne von Frau von der Leyen zitiert wird):

Die Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet seit Jahren einen konstanten Anstieg beim Besitz, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornographie (2007: 11.357 Fälle; Steigerung um 55% gegenüber 2006: 7.318 Fälle). Bei der Besitzverschaffung von Kinderpornographie über das Internet war von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 111% festzustellen (von 2.936 auf 6.206 Fälle).

Interessanterweise bestätigt die gerade von Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble aktuell veröffentlichte Kriminalstatistik 2008 eine gegenteilige Entwicklung. Außerdem unterschlägt Frau Dr. von der Leyen in ihrer Argumentation, dass die genannten Zahlen sich auf alle erfassten Anzeigen, Delikte und eingeleitete Strafverfahren beziehen, aber der Großteil der Verfahren eingestellt wurde. Außerdem fließen in diese Statistik auch Ergebnisse aus groß angelegten, einmaligen Fahndungen ein. Die Zahlen, die die Ministerin also vorträgt, sind teilweise unrealistisch und bisweilen reine Spekulation.

Betrachtet man die Erfolge von beispielsweise den skandinavischen Ländern mit ihren Sperrlisten, so breitet sich Ernüchterung aus. Es wird von etwa 1% real geblockten kinderpornographischen Webseiten geredet, der Rest ist entweder nicht strafbare Pornographie, längst gelöschte Internetpräsenzen und leider auch eine Menge Internetseiten mit völlig anderen Inhalten.

Es ist verwunderlich, weshalb die Regierung nach wie vor an den Plänen festhält, Kinderpornographie mit völlig absurden Mitteln aus dem Internet einzudämmen. Dass die Methode des DNS Access Blocking ohnehin von den meisten Internetnutzern mühelos umgangen werden kann, müsste ich eigentlich gar nicht mehr erwähnen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass nach Zuhilfenahme aller möglichen rechtsstaatlichen Maßnahmen, die Löschung von kinderpornographischen Inhalten im Internet effektiv genug sein würde, dass die Sperrliste des BKA, ohne besonders klein zu schreiben, auf einem Bierdeckel Platz finden würde. Konsequentes Vorgehen gegen Kinderpornographie macht Sperrlisten, die als Zensurmaßnahme missbraucht werden können, überflüssig...

Wichtige Links zum Thema:

Direkte Anfrage an Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen
(Ein Votingsystem kann die persönliche Antwort der Ministerin erheblich forcieren...)

Die Fake- Interviews mit diversen Abgeordneten
(öffentliche Aussagen von Abgeordneten werden in Form eines Interviews sarkastisch kommentiert...)


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Mittwoch, Juni 03, 2009

Führerschein, Kontoeröffnung & Kinderpornographie

Familienministerin Ursula von der Leyen, im Netz inzwischen als Zensursula verspottet, möchte entgegen aller Bedenken von Experten aus Wirtschaft, Rechtswissenschaft und IT ihre umstrittene Gesetzesänderung des Telemediengesetzes durchsetzen. Internetsperren sollen Gelegenheitssurfer davon abhalten, kinderpornographische Inhalte im WWW aufrufen zu können. Diese sog. Stopp- Schild Websites, technisch realisiert über DNS Access Blocking (Der Domainname der entsprechenden Internetpräsenz wird nicht auf die tatsächlich zugehörige IP- Adresse des Webservers geleitet, sondern auf eine andere, sodass der Aufruf dieses Internetangebotes unterbunden wird) stellen somit ein Hindernis und zugleich eine Warnung dar. Dieses Hindernis ist allerdings kaum wirksamer als das unerlaubte Betreten einer öffentlichen Rasenfläche, welche durch ein entsprechendes Schild als Sperrzone gekennzeichnet ist. Die Warnung ist leider weitaus mehr als ein Schild auf dem zu lesen ist "Vorsicht bissiger Hund!" Wer das Stopp- Schild auf seinem Bildschirm entdeckt, ist im gleichen Moment beim BKA als potentieller Päderast in einer Liste geführt. Vergleichsweise könnte man sagen, man wurde vom Hund bereits gebissen, während man noch das Warnschild betrachtet. Die Zusammenhänge werden in o.g. Link zum Forum recht ausführlich und chronologisch behandelt...

Um eine Fahrerlaubnis für ein Kraftfahrzeug zu erlangen, benötigt man etwas Geld, im Prinzip die Volljährigkeit, ausreichend nachgewiesene theoretische wie praktische Trainingseinheiten und eine abschließende Prüfung. Parallel dazu bedarf es einer Menge Bürokratie, die sicher stellt, dass das Dokument "Fahrerlaubnis" nach gewissen festgesetzten Regeln in einen überprüfbaren Datenbestand überführt wird, wo jederzeit Behörden bei Bedarf Zugriff erlangen. Es muss ja schließlich "alles" seine Ordnung haben...

Wer hat noch kein Giro- oder Sparkonto bei einem oder mehreren Kreditinstituten? Standardmäßig gehören zu einem Konto auch entsprechende Kreditkarten und verschiedenste Serviceleistungen. Dass man eine solche Geschäftsbeziehung nicht allein mit einem kräftigen Handschlag eingehen kann, scheint in unserer Gesellschaft völlig selbstverständlich zu sein. Ich könnte aus dem Stehgreif nicht berichten, wie viele Unterschriften auf verschiedenen Formularen abzugeben sind und welche Vielfalt an persönlichen Daten abverlangt wird. Es grenzt beinahe an ein Wunder, dass der Hamster oder der Kanarienvogel nicht irgendwo noch namentlich erwähnt werden muss...

Was hat nun der Führerschein oder das Bankkonto mit der geplanten Änderung des Telemediengesetzes zur besseren Bekämpfung der Kinderpornographie zu tun? Vergleichsweise wenig, aber als Vergleich im Prinzip doch viel.

Wenn auch die Argumente, Kinderpornographie hätte sich explosionsartig im Internet ausgebreitet, der kommerzielle Markt dafür wäre ein lukratives Geschäft und das WWW wäre dafür der Hauptumschlagsplatz, weitgehend widerlegt worden sind, nehmen wir mal trotzdem an, es sei so, wie es von den Lobbyisten behauptet wird. Wie kann es denn sein, dass es so einfach sein kann, Kinderpornographie auf einer Homepage im Internet anzubieten? Da die Internetsperre von Zensursula einzig und allein einen Domainnamen blockieren kann, ist ja offensichtlich davon auszugehen, dass diese Art der Verbreitung und des Konsums damit gemeint ist. Alles andere entbehrt jeglicher Grundlage und würde völlig andere technische Maßnahmen benötigen.
Wie wird man nun glücklicher Besitzer einer solchen Homepage? Manche Provider bieten gleich bei Vertragsabschluss eines Internetzugangs als zusätzlichen Service eine sog. Domain an. In Deutschland ist die Denic für die Vergabe und Registrierung einer DE- Domain verantwortlich. Die Denic bezeichnet sich selbst als Genossenschaft und ihre Mitglieder sind Unternehmen, die für die jeweiligen Kunden die Domains verwalten. In den meisten Fällen handelt es sich um sog. Provider, Unternehmen der Privatwirtschaft, die geltendem Recht des Staates unterliegen, in welchem sie als Unternehmen geführt sind. Alle Unternehmen besitzen grundsätzlich sog. "Allgemeine Geschäftsbedingungen". Hier zitiere ich mal aus den AGB's der Denic Punkt 3.2:

Der Kunde gewährleistet, dass die Inhalte nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Darüber hinaus ist das Hinterlegen von pornographischen, extremistischen oder gegen die guten Sitten verstoßenden Inhalten im Rahmen der ICO Internet-Services nicht gestattet. ICO ist berechtigt, vorgenannte Inhalte sofort ohne gesonderte Mitteilung zu sperren und zu löschen. Verstößt ein Kunde wesentlich oder trotz Abmahnung gegen diese Bedingungen, ist ICO berechtigt, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen.

Wie man unschwer feststellen kann, gibt's auch für das Internet Gesetze, die einzuhalten sind und die Geschäftsbedingungen sind entsprechend danach verfasst worden. Es ist völlig unsinnig im Zusammenhang mit dem Internet von einem rechtsfreien Raum zu reden. Aufgrund der Gesetzeslage ist es eigentlich verwunderlich, dass auf Servern, speziell auf Homepages nach Angaben der Regierung soviel kinderpornographisches Material gelagert sein soll, dass vor den Blicken der surfenden Internetbenutzer versteckt werden muss. Ist es nicht Pflicht und Aufgabe zugleich, dass die Provider dafür Sorge tragen, dass die Vertragsbedingungen eingehalten werden, da sie sich unter Umständen selbst damit strafbar machen würden? Daher ist es nicht verwunderlich, dass Hinweisen auf kinderpornographische Inhalte sehr zeitnah und unbürokratisch von den Providern nachgegangen wird. Internetsperren sind völlig überflüssig...

Gerne nennt die Regierung das Argument, dass der Zugriff auf kinderpornographisches Material in Ländern ohne wirkungsvolle Gesetze gegen Kinderpornographie nicht einfach wäre. Dieses Argument ist geradezu lächerlich. Welches Land dieser Welt würde sich dieses negative Image gerne anlasten lassen? Entsprechende Aktionen von verschiedenen Organisationen haben ergeben, dass auch außerhalb von Deutschland solche Anfragen sehr ernst genommen werden und dagegen vorgegangen wird. Dabei ist zu erwähnen, dass der Großteil der Kinderporno- Seiten, sofern es tatsächlich welche sind, auf Servern "gehostet" werden, die in Ländern stehen, deren Gesetze die notwendige Schärfe aufbringen. Anstatt dass ganze Abteilungen beim BKA das Internet nach Kinderporno- Homepages durchforsten, man virtuelle Stopp- Schilder von den jeweiligen Providern aufstellen lässt und den Rest der Zeit mit dem Verwalten und Prüfen der daraus gewonnenen Listen verbringt, könnten diese Mitarbeiter auch gezielt darauf hinwirken, dass das abscheuliche Bildmaterial direkt gelöscht wird. Setzt man den Focus auf das gezielte Löschen von kinderpornographischem Material auf Internetservern, ist dieses Vorgehen gar nicht so schwer, wie die Regierung es dem Wählervolk verkaufen möchte und effektiver allemal.

Natürlich wird damit die Kinderpornographie und darüber hinaus der Kindesmissbrauch kaum spürbar eingedämmt, man befasst sich ja nur mit einem geringen Teil des Gesamtproblems. Blöderweise (anders kann ich es gar nicht ausdrücken) stigmatisiert die Regierung diesen kleinen Bereich der Kriminalität an Kindern als Chefsache im Kampf gegen eine weltweit organisierte "Kinderpornomafia", sofern es die überhaupt gibt. Prostitution von Kindern findet im wahren Leben statt, meist in Ländern, wo das Internet keinerlei Bedeutung weder für Täter noch für Opfer hat. Kindesmissbrauch findet auch hinter verschlossenen Türen in Wohnungen im familiären Umfeld statt und die Täter sind nicht daran interessiert, im Internet auf ihre Freveltaten aufmerksam zu machen. Es steht außer Frage, dass es eine Pädophilen- Szene gibt, die entsprechendes Bild- und Videomaterial austauscht, doch auch dies tangiert kaum das WWW. Das Internet wird größtenteils als Transport- und Kommunikationsmedium verwendet. Internetsperren werden da keine Lösung sein, es sind andere, effizientere Maßnahmen gefragt, die hier und anderswo ja schon aufgezeigt wurden. Warum halten die Politiker der Bundesregierung, allen voran Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen so vehement fest an einer Methode, die schon vor ihrer Einführung zum Scheitern verurteilt ist?

Selbst unter dem Vorwand und der Überzeugung, dass auch dieser kleine Teilaspekt (kinderpornographisches Material auf Servern im WWW) des Gesamtproblems "Kindesmissbrauch" erfolgreich zu bekämpfen ist, ist die Methode kaum erfolgversprechend und wenig effizient.

Betrachtet man beispielhaft die dänische Sperrliste, wird man feststellen, dass der Großteil der aufgeführten Domains die Top- Level Domain com verwenden. Diese wird vom amerikanischen Unternehmen Verisign vergeben. Verisign betreibt zudem gleich 2 DNS- Root Server, also quasi die oberste Hirarchiestufe der Namenauflösung im Internet. Nun wurde ja bereits festgestellt, dass Verisign als amerikanische Firma den Gesetzen der USA unterliegt, welche ja bekanntermaßen Kinderpornographie ausreichend unter Strafverfolgung stellt. Es ist mir ein Rätsel, dass dennoch soviele Schmuddel- Websites mit Top- Level Domain com in Umlauf sein können, wenn doch die Rechtslage eindeutig geklärt ist? Wieso müssen einzelne Staaten trotzdem mit solchen Sperrlisten operieren?
Man sollte auch wissen, dass von den Domains auf den Sperrlisten nur ein Bruchteil tatsächlich kinderpornographisches Material beinhalten, der Rest ist zwar größtenteils Pornographie, aber eben ohne Kinder oder mit extrem jung aussehenden Darstellern, eine wohl beabsichtigte Suggestion. Wiederum andere Domains haben relativ wenig bis gar nichts mit Pornographie zu tun und manche existieren nicht einmal mehr. Das spricht wenig für die Aktualität und die Pflege dieser Sperrlisten, soll aber beim BKA wesentlich besser funktionieren (?)

Wenn also eine Vergabestelle von Top- Level Domains wie Verisign offenkundig nicht die Gesetze der USA achtet und befolgt, hege ich ernsthaft Zweifel an der Aufrichtigkeit der Politiker, die sich in der Öffentlichkeit für eine harte Strafverfolgung von Kinderpornographie stark machen. Der Internetsurfer, der unabsichtlich auf eine Stopp- Schild Seite gerät, wird unter Generalverdacht gestellt, die Firmen, die Millionen Dollar mit der Vergabe und Verwaltung von Domains (auch mit kinderpornographischem Material) verdienen, stehen offensichtlich außerhalb des Rechtssystems. Hier stinkt doch etwas gewaltig?

Klettert man die Leiter noch eine Stufe höher, kommt man um den Begriff ICANN nicht herum. Die Abkürzung steht für Internet Corporation for Assigned Names and Numbers was soviel bedeutet, dass hier bestimmt wird, welche IP- Adressen und welche Domainnamen in Umlauf sind. Die "Stiftung" ist dem amerikanischen Handelsministerium direkt unterstellt, was bedeutet, dass die US- Regierung im Grunde das Sagen hat.
Dann gibt es noch die ehemalige "One Man Show" IANA (Internet Assigned Numbers Authority), quasi eine Suborganisation der ICANN, welche die Vergabe von IP- Adressbereichen an verschiedene lokale Einrichtungen delegiert. Auch in diesem Fall hat die US- Regierung den absoluten Einfluss.

Wollte man effektiv und sinnvoll gegen Kinderpornographie im WWW vorgehen, soweit es den Plänen von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen entspricht, wäre man folglich bei der Regierung der Vereinigten Staaten an der richtigen Adresse. Bekämpft man die Kinderpornographie im Internet an der Wurzel und lässt erst gar nicht zu, dass solche Domains entstehen können, erscheinen die Internetsperren von Zensursula geradezu lächerlich. Verstößt dennoch jemand gegen bestehende Gesetze, so sind diese Organisationen sowieso in der Pflicht, dagegen einzuschreiten. Tun sie das nicht, machen sie sich selbst strafbar. Wo bitte sind da Schwierigkeiten, länderübergreifend gegen Kinderpornographie vorzugehen, man braucht sich doch in 99% der Fälle nur an den politischen, wirtschaftlichen und auch militärischen Partner USA zu wenden oder sind die Beziehungen auf humanitärer Ebene soviel schlechter?

Was macht man nun noch mit dem einen Prozent von Domains, die man nicht direkt mit bereits bestehenden Gesetzen lahm legen kann? Meinetwegen soll das BKA diese Domains auf eine Sperrliste setzen, sodass man sie nicht mehr erreichen kann, aber bitte ohne Stopp- Schild mit Datenerhebung! Das möchte man ja sowieso nicht, doch diese Aufgabe darf keineswegs allein und hoheitlich vom BKA übernommen werden. Abgesehen davon würde die Sperrliste ziemlich übersichtlich ausfallen und wäre letztendlich überflüssig. Es wurden genügend Beweise erbracht, dass und weshalb die Internetsperren nutzlos sein werden, zumindest wenn man ausschließlich die Bekämpfung von Kinderpornographie bezwecken will. Es wäre nun mal an der Zeit, dass die Befürworter der Sperrpläne ihrerseits stichhaltige Fakten präsentieren. Ich fordere daher die Befürworter der Stopp- Schilder Kampagne auf, folgendes nachzuweisen:

Präsentieren Sie bitte einmal eine einzige Internetpräsenz mit nachweislich kinderpornographischem Material, die man nicht aus dem WWW entfernen kann und lediglich DNS Access Blocking als geeignete Gegenmaßnahme übrig bleibt!

Ich warte...

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