An das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren des Bundesministeriums,
ich fordere Sie hiermit auf, auf Ihrer Internetpräsenz die FAQ- Seite zu den Zugangssperren (http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/kinder-und-jugend,did=119244.html)
umgehend zu korrigieren bzw. falsche Aussagen zu entfernen. Es ist einer Bundesbehörde nicht würdig, öffentlich Unwahrheiten und Fehlinformationen zu publizieren. Es ist den Bürgern nicht zuzumuten, durch solche Publikationen vorsätzlich getäuscht zu werden. Auch ein Ministerium muss gemachte Fehler korrigieren. Die besonders zu beanstandeten Passagen habe ich farblich hervorgehoben. Rot sind die Textauszüge, die vom BMFSFJ publiziert werden, blau ist meine Begründung dazu und grün bezieht sich auf die kleine Anfrage der FDP- Fraktion. Orange sind Antworten auf die FDP- Anfrage, womit die Regierung sogar selbst zugibt, dass Unzulänglichkeiten bestehen.
Es ist in höchstem Maße unredlich, ein solch fehlerbehaftetes Dokument den Bürgern öffentlich zur Verfügung zu stellen. Ich verzichte darauf, Links zu den Recherchen und Fakten anzugeben, die eindeutig meine Beanstandungen rechtfertigen. Bei Bedarf kann ich diese gerne nachreichen, doch bin ich der festen Überzeugung, dass Sie bereits die Quellen bestens kennen.
Fragen und Antworten zu Zugangssperren im Internet (Access Blocking)
(Stand: 28. Juli 2009)
Das Thema wirksamer Zugangssperren für Internetseiten, die Bilder des sexuellen Missbrauchs von Kindern zeigen, beschäftigt viele Bürgerinnen und Bürger. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema finden Sie hier im Überblick.
Wie genau ist Kinderpornografie definiert und wie hat sich das Angebot im Internet entwickelt?
Kinderpornografie ist die Darstellung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. In Deutschland ist die Verbreitung harter Pornografie verboten. Nach § 184b StGB werden Verbreitung, Erwerb und Besitz pornografischer Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Dennoch steigt der Vertrieb von Kinderpornografie über das Internet: Eine deutliche Zunahme der Fallzahlen kann in der Polizeilichen Kriminalstatistik 2008 im Bereich der Verbreitung pornografischer Schriften (Erzeugnisse) registriert werden (+ 14,5 Prozent auf 18.264 Fälle). Allerdings hat der Besitz und die Verschaffung von Kinderpornografie gemäß § 184b Abs. 2 und 4 StGB um 24,1 Prozent auf 6.707 Fälle abgenommen. Aus den Ermittlungsverfahren wissen wir, dass einzelne Seiten 50.000 Mal im Monat geladen werden.
Auf die kleine Anfrage der FDP- Fraktion konnte die Bundesregierung keine fundierten Belege für diese Behauptungen vorlegen. Die Antwort auf die Frage, welche Erkenntnisse die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Verbreitung im Internet besitzt, lautete: Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gibt allerdings Untersuchungen in anderen Ländern...
Die Bundesregierung stützt sich auf den Jahresbericht der Internet Watch Foundation aus dem Jahr 2008 und auf Schätzungen der innerdeutschen Strafverfolgungsbehörden. Die Zahlen, die dabei herangezogen und sogar öffentlich publiziert werden, beinhalten keineswegs nachvollziehbare Fakten. Man beruft sich auf einen Bericht der National High Tech Crime Unit aus dem Jahr 2004, dass laut einer Kontenüberprüfung ein Umsatz von 1,3 Mio. Dollar verzeichnet wurde, welcher scheinbar durch kommerzielle kinderpornographische Websites generiert wurde. Ein eindeutiger Beweis kann diesbezüglich nicht erbracht werden, es handelt sich um Schätzungen, da eine klare Trennung von Kinderpornographie zu legaler Pornographie und anderen Leistungen gar nicht differenziert werden kann. Unter anderem jongliert man auch mit Zahlen vom Child Victim Identification Program, wobei es sich generell um Vermisstenmeldungen handelt, aber diese Zahlen einfach adäquat auf Kinderpornographie überträgt. Die Polizeiliche Kriminalstatistik beinhaltet neben tatsächlichen Straftaten und Delikten auch jede Menge Anzeigen und Fälle, die später nicht zur Anklage führten oder gar keine Verurteilung nach sich zogen. Dennoch wird dreist das komplette Zahlenmaterial verwendet, ohne die irrelevanten Fälle zu subtrahieren, was die tatsächliche Zahl an echten Fällen deutlich reduziert hätte. Die aktuell vorgelegte Kriminalstatistik spricht sogar von deutlich zurückgehenden Zahlen, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass in die zur Argumentation herangezogene Kriminalstatistik auch umfangreiche Razzien eingeflossen sind, die den Durchschnitt naturgemäß verfälschen.
Der Großteil der Kinderpornografie wird mittlerweile über kommerzielle Webseiten weltweit verbreitet; die Betreiber nehmen monatlich Millionenbeträge ein. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass weltweit täglich etwa 1000 Seiten mit kinderpornographischen Inhalten aktiv sind. Bilder und Videos zeigen zunehmend Gewaltausübungen gegen Klein- und Kleinstkinder.
Auf die kleine Anfrage der FDP- Fraktion, auf welche Datengrundlage sich die Bundesregierung bei der Einschätzung des kommerziellen Marktes stützt, wurde folgende Antwort gegeben:
Die Bundesregierung verfügt über keine detaillierte Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderpornographie in Deutschland…
Das Internet bietet derzeit einen unkomplizierten und niederschwelligen Zugang zu kinderpornografischem Material. Viele der Täter finden hier den Einstieg. Dann sinken die Hemmschwellen weiter.
Diese Aussagen beruhen auf reinen Spekulationen…
Das Angebot im Netz steigt stetig. 1998 wurden im US-amerikanischen "Child Victim Identification Program" des "National Center for Missing und Exploited Children" bereits 100.000 "child abusive images" (Abbildungen kinderpornografischer Ausbeutung) registriert, diese Zahl ist Ende 2008 bereits auf 15 Millionen gestiegen.
Dieser Unsinn wurde bereits einige Zeilen zuvor relativiert…
Was regelt das geplante Kinderpornografiebekämpfungsgesetz genau?
Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten durch die Zugangsanbieter in Deutschland.
Das Bundeskriminalamt erstellt Sperrlisten, die Kinderpornografie im Sinne des § 184 b Strafgesetzbuch enthalten oder darauf verweisen und stellt sie täglich aktualisiert zur Verfügung. Es gilt der Grundsatz "Löschen vor Sperren". Das Bundeskriminalamt setzt nur dann entsprechende Einträge auf die Sperrliste, wenn andere Maßnahmen sich als nicht erfolgreich erweisen. Personenbezogene Daten, die aufgrund der Stoppmeldung anfallen, dürfen dabei nicht zu Zwecken der Strafverfolgung verwendet werden. Ein beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit bestelltes Expertengremium kann jederzeit Einsicht in die Sperrliste nehmen und die Einträge überprüfen.
Wenn keine personenbezogenen Daten verwendet werden sollen, wie kann man dann durch die Sperrmethode überhaupt Kinderpornographie eindämmen? Internetsperren auf der Basis von DNS Access Blocking haben nachweislich keinen Nutzen bei der Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet. Es wird mit übermäßig hohem Aufwand ein vorübergehender Sichtschutz installiert, der in wenigen Sekunden selbst von ausgesprochenen Laien bei Bedarf überwunden werden kann. Der Kosten- Nutzen- Effekt steht in keinem Verhältnis.
Die Durchführung der Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten ist außerdem nicht transparent definiert. Selbst wenn ein Mitglied dieses Gremiums sich die Mühe machen würde, die Sperrliste komplett und täglich überprüfen zu wollen, wie kann überhaupt sicher gestellt werden, dass dieser Kontrolleur auch die echte, tatsächlich aktive Sperrliste prüft und nicht ein veraltetes oder gar manipuliertes Ersatzdokument zur Prüfung erhält? Finden diese Kontrollen ohne vorherige Ankündigung statt? Finden die Kontrollen direkt beim BKA statt? Sind Maßnahmen ergriffen worden, die Manipulation an der Sperrliste unmittelbar vor der Kontrolle ausschließen? Wer im IT- Umfeld arbeitet, weiß wovon ich rede und kann nachvollziehen, dass es genügend Möglichkeiten der Manipulation gibt und eigentlich nur IT Fachleute eine Manipulation an den Daten erkennen könnten, wenn überhaupt.
Auf der anderen Seite verpflichtet das Gesetz alle privaten Diensteanbieter zu entsprechenden Zugangserschwerungen, die den Zugang zur Nutzung von Informationen über ein Kommunikationsnetz für mindestens 10 000 Teilnehmer ermöglichen. Es ist technologieneutral formuliert. Die Zugangserschwerung muss aber mindestens auf DNS-Ebene erfolgen, schließt aber auch tiefer gehende Sperrtechniken ein. Dies kann einen Eingriff ins Fernmeldegeheimnis bedeuten, so dass für diesen Fall die mögliche Einschränkung von Grundrechten ausdrücklich gesetzlich geregelt und im Gesetz entsprechend zitiert wird.
Welche Seiten sollen durch das geplante Kinderpornografiebekämpfungsgesetz gesperrt werden?
Es geht ausschließlich darum, den Zugriff auf kinderpornografische und damit illegale Inhalte zu erschweren. Die Zugangssperren betreffen nicht die Individualkommunikation, sondern dienen der Verhinderung des Abrufs von an die Allgemeinheit gerichteten kinderpornografischen Inhalten. Die Sperrungen blocken den Zugriff auf bekannte Kinderpornoseiten - egal, wo auf der Welt die Anbieter der Inhalte sitzen. Seiten, die von Deutschland aus ins Netz gestellt werden, werden bereits blockiert. Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass täglich Zehntausende Zugriffe verhindert werden (zum Beispiel 15.000 bis 18.000 in Norwegen). Übertragen auf Deutschland hieße das, dass 300 000 bis 450 000 Seitenaufrufe verhindert werden könnten. Sperrungen werden seit vielen Jahren mit Erfolg in Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland, den Niederlanden, Italien, der Schweiz, Neuseeland, Großbritannien, Südkorea, Kanada und Taiwan durchgeführt.
Diese Aussage ist bewiesenermaßen eine Lüge. Selbst die Strafverfolgungsbehörden der skandinavischen Länder haben das Gegenteil bestätigt. Außerdem hat man per Analyse verschiedener Sperrlisten herausgefunden, dass die Inhalte deutlich über reine Kinderpornographie hinausgehen und dass der Anteil an tatsächlicher Kinderpornographie sogar den geringsten Part darstellt. Hochrechnungen können bestenfalls bei Wahlen relativ genaue Prognosen abgeben, dies adäquat auf Zugriffszahlen bei Kinderpornographie im Internet anwenden zu wollen, zeugt von absoluter Unwissenheit des IT- Umfeldes. Abgesehen davon, soll doch „Löschen vor Sperren“ der Grundsatz sein, wieso wird hier angemerkt, dass bereits Seiten, die von Deutschland aus ins Netz gestellt werden, bereits geblockt würden? Die Internetsperren wurden doch noch gar nicht offiziell umgesetzt bzw. soll doch Löschen in Deutschland uneingeschränkt möglich sein?
Was versteht man unter einer Stoppmeldung?
Bei dem Versuch, Seiten aufzurufen, die Kinderpornografie enthalten, warnt die Stoppmeldung den Nutzer, dass sein Internet-Browser Kontakt zu einer Webseite herzustellen versucht, die im Zusammenhang mit der Verbreitung von Kinderpornografie genutzt wird. Der Betrieb dieser Stoppmeldung erfolgt durch den jeweiligen Zugangsanbieter. Das Bundeskriminalamt stellt einen standardisierten Entwurf zu Layout und Inhalt der Stoppmeldung zur Verfügung. Diese Meldung betont und verstärkt zudem die gesellschaftliche Ächtung des Missbrauchs und gibt dem Nutzer die Möglichkeit, sich beim Bundeskriminalamt weiter über die Maßnahme zu informieren. Dass das System funktioniert, zeigen die jahrelangen Erfahrungen anderer Länder, die bereits Zugangserschwerungen eingerichtet haben.
Wie bereits erwähnt, das ist eine Lüge…
Was maximal funktioniert, ist das DNS Access Blocking als solches mit allen bekannten Unzulänglichkeiten. Kinderpornographie wird jedoch damit in keiner Weise eingeschränkt. Die publizierten Erfolge basieren ausschließlich auf Vermutungen. Klickzahlen bieten keine Anhaltspunkte für Erfolgsprognosen. Stetig ansteigende Nutzerzahlen sowie automatisierte Bot- Suchläufe von Suchmaschinenanbietern und vieles mehr verfälschen zunehmend das Ergebnis. Da ja scheinbar keine personenbezogenen Daten verwendet werden, kann man folgerichtig auch keine Statistiken erstellen, die aussagekräftig wären…
Man sollte folglich auch solche Aussagen nicht tätigen, eine Plakatkampagne hätte sicher den gleichen Effekt erzielt.
Was passiert bei den Zugangssperren mit den Daten des Internetnutzers?
Die Sperrtechnik auf DNS-Basis und die Umleitung auf die Stoppmeldung erfordert keine Erhebung von Daten, die nicht ohnehin im Rahmen des technischen Prozesses beim Geschäftsbetrieb der Zugangsanbieter anfallen.
Die bei der Umleitung auf die Stoppmeldung anfallenden Verkehrs- und Nutzungsdaten dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit soll der Sorge begegnet werden, dass die Maßnahmen zur Zugangserschwerung Auswirkungen auf die Internetnutzung haben, weil Nutzer befürchten müssten, auch bei unbeabsichtigtem Zugriff auf Seiten der Sperrliste einem Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie ausgesetzt zu werden. Dies schließt Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderpornografie, die aufgrund anderer Erkenntnisse erfolgen, ausdrücklich nicht aus. Mit dieser Änderung wird auch ein Anliegen des Bundesrates aufgegriffen.
Mit anderen Worten bedeutet dies nichts anderes, als dass personenbezogene Daten, die beim Aufruf von entsprechend gesperrten Seiten anfallen, vorerst keine Verwendung finden, aber dank Vorratsdatenspeicherung ein halbes Jahr zur Verfügung stehen und bei Bedarf doch angefordert werden können. Da davon auszugehen ist, dass tatsächlich Pädokriminelle sowieso die Internetsperren umgehen, können demzufolge nur noch Verkehrsdaten von Zufallssurfern vorliegen. Mir erschließt sich daraus nicht die Sinnhaftigkeit, anhand dieser Erkenntnis, die Verkehrsdaten dieser Zufallsnutzer bei Bedarf zur Strafverfolgung heranziehen zu wollen. Die gesamte Sperrstrategie zielt doch sowieso nur noch auf einige wenige Zufallssurfer ab, diesen den Anblick von kinderpornographischen Abbildungen zu ersparen. Welche Strafverfolgungsabsicht kann denn da überhaupt noch realistisch auftreten?
Wie werden die Einträge auf den Sperrlisten kontrolliert?
Um die Transparenz des listenbasierten Verfahrens zu erhöhen, wird beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit ein unabhängiges Expertengremium bestellt. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Mindestens einmal im Quartal erfolgt auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen.
Warum folgt dem Vertragsabschluss noch eine gesetzliche Regelung?
Mit der Vereinbarung mit fünf großen Zugangsanbietern sind bereits 75 Prozent des Marktes abgedeckt. Eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene soll alle in Deutschland aktiven Internetanbieter zwingend auf dieselben Regeln einer konsequenten Zugangssperre verpflichten. Das garantiert Sicherheit und eine Abdeckung von über 97 Prozent des Marktes, auch für den Fall, dass später neue Anbieter auf dem deutschen Markt auftreten.
Sind Zugangssperren im Internet nicht Zensur? Drohen chinesische Verhältnisse?
Die Zugangssperren zu Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten rührt nicht an der im Grundgesetz garantierten Informations- und Kommunikationsfreiheit: Es geht nicht darum, Freiheiten einzuschränken, sondern darum, Seiten, auf denen der Missbrauch und die Vergewaltigung von Kindern verbreitet und auf einfache Weise weltweit verfügbar gemacht wird, zu blockieren. Es geht darum, Menschrechte und die Würde des Einzelnen, nämlich der Kinder, zu schützen und schwere Körperverletzungen zu ächten. Die Einschränkung des Zugangs zu strafbewehrtem Material und die Verhinderung neuer Straftaten verletzen keine Freiheitsrechte.
Dieser Umstand ist mit Vorsicht zu genießen. Eine schlussendliche Entscheidung sollte dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleiben, daher ist es nicht hinnehmbar, dass das Bundesfamilienministerium den Zensurverdacht hier abstreitet. Unstrittig ist aber die Möglichkeit, mittels der installierten Sperrtechnik, Zensur zu betreiben. Es spielt dabei kaum eine Rolle, dass Zensur nicht beabsichtigt wäre, denn in den anderen Ländern, die bereits Sperrlisten einsetzen, wurden nachweislich Internetseiten gesperrt, die keinerlei Bezug zu Kinderpornographie vorwiesen. Damit wurde der Zugang zu diesen Internetinhalten den Internetnutzern vorenthalten. Ob man dies nun als Zensur bezeichnen will oder nicht, es ist und bleibt ein Risikofaktor, der nicht zu unterschätzen ist.
Können Zugangssperren bei den Providern die Verbreitung von Bildern und Videos, die den sexuellen Missbrauch von Kindern dokumentieren, zu 100 Prozent verhindern?
Technisch versierte Internetnutzer werden immer Wege finden, die Sperren zu umgehen. Entscheidend ist aber, dass dadurch der Zugang für die große Masse der durchschnittlich versierten Internetnutzer erfolgreich blockiert wird. Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes zufolge sind 20 Prozent der Nutzer kinderpornografischer Angebote(n) harte Pädokriminelle, 80 Prozent dagegen Gelegenheitssurfer, die allerdings durch den zunehmenden Konsum kinderpornographischen Materials immer tiefer in die Szene hineingeraten. Zugangssperren treffen die Anbieter von Kinderpornografie empfindlich, weil sie dadurch weniger Geld verdienen und der verbreitete Aufbau organisierter Internetkriminalität gestört wird.
Diese Aussagen sind völlig unsinnig und bisweilen werden damit alle IT'ler als Pädokriminelle gebrandmarkt. Zwar halte ich diese Formulierungen eher für ungeschickt, dennoch sollte sich das BMFSSJ wenigstens um eine Klarstellung bemühen. Es wurde nachgewiesen, dass jeder Durchschnittsinternetnutzer in wenigen Sekunden mit der entsprechenden Anleitung die Sperren umgehen kann. Die Schätzungen des Bundeskriminalamtes sind einfach nur lächerlich und können faktisch nicht bestätigt werden. Auch die Theorie des sog. „Anfixens“ steht auf extrem wackligen Beinen. Es gibt durchaus wissenschaftliche Erkenntnisse, die diese Auffassung nicht teilen. Über den kommerziellen Verlust von Betreibern kinderpornographischer Internetpräsenzen kann gar nicht philosophiert werden, da ja bereits die Vermutung eines Massenmarktes in keiner Weise nachgewiesen werden kann.
Eine sehr große Mehrheit der Gesamtbevölkerung ab 16 Jahren von 91 Prozent begrüßt die neuen Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet. Lediglich 6 Prozent halten diese Maßnahmen nicht für den geeigneten Weg, um Kinderpornografie zu bekämpfen, 3 Prozent bleiben unentschieden.
Auch unter den starken Internetnutzern wird das Vorhaben von einer sehr großen Mehrheit begrüßt (89 Prozent). Lediglich 3 Prozent haben den Eindruck, dass durch die Stoppschilder im Internet das Grundrecht auf Informationsfreiheit zu sehr eingeschränkt würde; 90 Prozent sagen: Das finde ich nicht. 7 Prozent bleiben unentschieden.
Die Umfrageergebnisse wurden durch die Art der Fragestellungen deutlich beeinflusst. Eine Umfrage zum gleichen Thema mit anderen Fragestellungen führte zu einem komplett gegenteiligen Ergebnis. Persönlich halte ich diese Vorgehensweise für Manipulation durch absichtliche Unterschlagung diverser Hintergrundinformationen, um dadurch das gewünschte Ergebnis herbei zu führen. Dieses Vorgehen ist zutiefst unredlich und einer Bundesbehörde nicht würdig.
Sind Zugangssperren nicht leicht zu umgehen, indem die Anbieter ständig die Adressen wechseln?
Deswegen sind die Listen der gesperrten Seiten, die beispielsweise in England (im Durchschnitt laufend 1.500 aktive Anbieter) und Skandinavien verwendet werden, dynamisch. Das bedeutet, die Sperrliste wird täglich aktualisiert. Das Aktualisieren dauert nur Sekunden und funktioniert weltweit. Statt vor den Möglichkeiten im World Wide Web zu resignieren, werden alle Mittel gegen die Verbreitung von Kinderpornografie genutzt. Dass in einem Land wie Norwegen noch Jahre nach der Einführung einer Internetsperre bis zu 15.000 Zugriffsversuche auf Kinderpornografisches Material geblockt werden, zeigt, dass die Technik dauerhaft wirkt.
Die Antwort auf die selbst gestellte Frage ist faktisch falsch. Natürlich sind die Zugangssperren leicht zu umgehen und daran ändert auch eine nicht definierte Dynamik der Sperrlisten nichts. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Persönlich würde mich trotzdem interessieren, wie die Aktualisierung in Sekunden weltweit funktioniert? Eine automatisierte Erstellung bzw. Anpassung der jeweiligen Sperrliste wäre unverantwortlich. Es erfordert durchaus verantwortungsvolles Arbeiten der BKA- Mitarbeiter bei der Erstellung und Aktualisierung der Sperrliste, was auch entsprechend viel Zeit in Anspruch nimmt. Sollte man mit der Aktualisierung den Abgleich der Sperrlisten mit anderen Ländern verstehen, so wäre dies hier sehr unverständlich ausgedrückt worden und hätte ebenfalls mit der Frage nichts zu tun.
Wer haftet dafür, wenn von den Sperren auch unbedenkliche Angebote im Internet betroffen sind?
Zugangsanbieter können heute punktgenau gefährliche Inhalte blockieren. Das zeigen die Beispiele aus dem Ausland wie Skandinavien. Zudem lässt sich sehr gut abgrenzen, was Kinderpornografie ist und was nicht. In den skandinavischen Ländern gibt es seit 2004 keine nennenswerten Beschwerden. Zugangsanbieter sperren nur die Seiten, die vom Bundeskriminalamt verschlüsselt auf laufend aktualisierten Listen zur Verfügung gestellt werden. Was gesperrt wird, legt allein das Bundeskriminalamt fest. Die Zugangsanbieter setzen die Sperrung lediglich um. Sofern sie dies ordnungsgemäß tun, liegt die Haftung allein beim Bundeskriminalamt. Die Zugangsanbieter müssen keine Ersatzansprüche fürchten.
Zugangsanbieter können alle Inhalte blockieren, allerdings entweder nicht punktgenau oder unwirksam per DNS Access Blocking, Kollateralschäden sind nicht auszuschließen. Da ausschließlich das BKA für die Listenerstellung verantwortlich ist und die Liste „geheim“ gehalten wird, kann ein fälschlich betroffener Content- Anbieter kaum feststellen, ob sein Angebot teilweise unzugänglich ist. Da ja ausschließlich ausländische Angebote gesperrt werden, müsste dieser Anbieter den Zugang über deutsche Provider testen, um zu erfahren, dass seine Websites auf die Sperrliste geraten sind. Dass jemand aus Deutschland den Anbieter auf den Umstand hinweist, weil dieser beim Aufruf der entsprechenden Website ein Stopp- Schild präsentiert bekommt, klingt eher unwahrscheinlich. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass kaum Beschwerden eingehen…
Angenommen, die Internetpräsenz des BMFSFJ wäre auf der Sperrliste im Iran, würden Sie dies bemerken? Selbst wenn Sie dies nun trotzdem feststellen würden, wen würden Sie dann kontaktieren, um sich zu beschweren, weil Ihr Angebot ja aus eigener Sicht völlig legal ist?
Sind die Zugangssperren ein Ersatz für die oft mühsame Verfolgung der Täter im In- und Ausland?
Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Sperrungen sind Bestandteil einer Gesamtstrategie gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und seiner Darstellung im Internet. Sie sollen die Ermittlung der Täter und das Schließen kinderpornografische Websites nicht ersetzen, sondern wirksam ergänzen. Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter (LKA) leisten im Inland hervorragende Arbeit - das belegen die Erfolge über die ausgehobenen Kinderpornografie-Ringe. Die Ermittler werden auch weiterhin hart daran arbeiten, die Täter im Inland zu ermitteln und die Quellen im Ausland zu schließen. Da aber in der Hälfte aller Staaten Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie entweder nicht unter Strafe steht oder nicht ausreichend sanktioniert wird, reichen in vielen Fällen polizeiliche Mittel allein nicht aus. Dann bleibt ergänzend als ein Baustein die Sperrung der Seiten als Mittel, um den Zugang zu verhindern und den kriminellen Geschäftsbetrieb empfindlich zu stören.
Entweder war es unzureichende Recherche, leichtfertiger Umgang mit Informationen oder schlicht eine Lüge des Bundesfamilienministeriums, denn Recherchen von IT- Fachleuten haben ergeben, dass Löschungen kinderpornographischer Inhalte durchaus schnell und effektiv durchgeführt werden können. Ebenso stimmt es einfach nicht, was vom BMFSFJ kommuniziert wird. Immer wieder ist die Rede von 95 sog. Schurkenstaaten, wo Kinderpornographie nicht oder unzureichend verfolgt würde. Dies wurde eindrucksvoll widerlegt und die Zahl konnte von 95 auf mindestens 12 herabgesetzt werden. Beispiele wie Indien und Kasachstan, welche argumentativ in die Diskussionen eingebracht wurden, stellten sich als peinlichen Fauxpas heraus.
„sondern wirksam ergänzen“ – angenommen, ich würde der Definition nach illegale Angebote im Internet verbreiten und auf eine entsprechende Sperrliste geraten, würde das wie ein Frühwarnsystem funktionieren und ich würde anstreben, die Inhalte zu verlegen. Aus IT- Sicht begünstigt die Einführung von Sperrlisten, die auf Stopp- Seiten umleiten, die Reaktionszeit der Täter. Ich halte die Sperrmaßnahmen eher für kontraproduktiv.
Wenn so viele Quellen im Ausland sitzen, brauchen wir dann nicht mehr internationale Abkommen und Netzwerke?
Wir haben bereits gut funktionierende Netzwerke. In CIRCAMP (Cospol Internet Related Child Abusive Material Project) sind 13 europäische Staaten polizeilich organisiert: Norwegen, Großbritannien, Dänemark, Belgien, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, Malta, Polen, Schweden, Niederlande und Spanien. Norwegen betreibt dieses Netzwerk aktiv. Deutschland wird beitreten. Und acht Länder - Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Niederlande, Schweiz, Neuseeland, Italien - verwenden den CSAADF (Child Sexual Abuse Anti Distribution Filter) um Internetseiten zu sperren. Die Listen mit den Seiten werden unter diesen Ländern innerhalb von Sekunden ausgetauscht. Die Sperrung erfolgt angepasst an die jeweilige Landesgesetzgebung.
Die Bundesregierung setzt auf diese bestehenden Netzwerke und weitergehende Vereinbarungen. Sie hat den III. Weltkongress gegen die Sexuelle Ausbeutung von Kindern in Rio de Janeiro im November 2008 genutzt, um das Thema der internationalen Zusammenarbeit voranzubringen. Insoweit gibt es ein von Deutschland initiiertes Statement von 16 europäischen Ländern die Sperrlisten aufstellen und Zugangsblockaden eingeführt haben oder einführen wollen.
Darüber hinaus haben wir dieses Thema auf der Europäischen Nachfolgekonferenz "Schutz vor sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mit Fokus auf neue Medien: Perspektiven für Europa" am 30. Juni 2009 in Berlin weiter vorangetrieben. In einem Abschlussdokument der Konferenz haben sich die Unterzeichnenden auf 16 Punkte zum gemeinsamen Kampf gegen sexuelle Gewalt und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen auf allen Ebenen verständigt.
© Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Offensichtlich funktioniert die internationale Zusammenarbeit im Bezug auf die Bekämpfung von Kinderpornographie nicht so toll, wie man glauben machen will. Wenn man behauptet, dass Löschung im Ausland oft nicht möglich ist und deshalb eine Sperrung notwendig wäre, muss man sich Frage gefallen lassen, wieso man nicht darauf hin arbeitet, diese internationale Zusammenarbeit zu optimieren und sich lieber in unsinnige Sperrmaßnahmen flüchtet? Wie durch die jeweiligen Konsulate bestätigt, ist Löschung von Kinderpornographie in Ländern wie Indien oder Kasachstan problemlos möglich, was ja dem BMFSFJ offensichtlich in dieser Form unmöglich erschien. Das BMFSFJ kann gerne weitere Staaten aufführen, die Kinderpornographie nicht ausreichend ächten und Server für die Verbreitung dieses abscheulichen Materials zur Verfügung stellen. Dann können wir eine neue Diskussion über den Sinn und Zweck dieser Internetsperren eröffnen…
Diese Zeilen habe ich ans Bundesfamilienministerium gesendet. Ob man darauf reagiert, wird man daran erkennen, ob die FAQ des BMFSSJ geändert werden. Persönlich kann ich mir das kaum vorstellen...
Hier geht's zum vorherigen Artikel: Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug, als wie zuvor!
Labels: BMFSFJ, Internetsperren